HIGHLIGHT • Killeralgen / Seite 5 von 6
 
Auch die Berichte über Gesundheitsschäden habe JoAnn aus Publicity-Gründen erfunden, verbreitete die Gesundheitsbehörde. Zur Anerkennung eines Zusammenhanges seien epidemiologische Studien von Nöten. Und ohne die Identifizierung des Toxins könne kein Zusammenhang bewiesen werden - nur blockierten die gleichen Behörden über Jahre die Finanzierung der Toxin-Isolierung und Identifikation. 

Auf öffentlichen Druck, nach negativen Schlagzeilen in der Presse und landesweiten Nachrichten-
sendungen, erklärte sich die Gesundheitsbehörde bereit, eine epidemiologische Studie durchzuführen. Doch anstelle einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde eine fragwürdige Telefonumfrage angestellt. Die betroffenen Fischer, deren Namen die Behörde von JoAnn erhalten hatte, wurden nach ihren Symptomen befragt. „Aber sicher haben sie nach ihrer Arbeit auch mal einen gehoben?“ war die Rückfrage des Beamten, „da ist es wohl wahrscheinlicher, daß die Beschwerden von zu hohem Alkoholkonsum rühren“. Das einzige Ergebnis dieser „Studie“ war der Vertrauensverlust der Fischer in JoAnn. Sie sahen sich durch sie der öffentlichen Verhöhnung preisgegeben. 

Auf Intervention des Gouverneurs bereitgestellte und zugesagte Forschungsgelder wurden jahrelang verzögert. Schließlich wurden große Teile dieser Gelder JoAnn entzogen und Hans Paerl an der East Carolina University zugesprochen. Erst 1996 enthüllte eine Untersuchung der NC State University und des Gouverneursbüros den Komplott der Umweltbehörde. Paerl mußte zugestehen, daß weder er und noch einer seiner Mitarbeiter überhaupt in der Lage wären, Pfiesteria in den Wasserproben zu identifizieren und sie keinerlei Erfahrungen mit diesem Organismus besäßen. Die offizielle Entschuldigung der Umwelt-
behörde, durch den Gouverneur angewiesen, befriedigt JoAnn wenig. Das Geld ist weg und noch immer wartet sie auf Unterstützung ihrer Arbeit. „Die Identifizierung des Toxins ist der wichtigste Schritt, eine Gewässerüberwachung aufzubauen und epidemiologische Studien durchzuführen.“ 

Algenblüte
Schleimig-grüne, zugewucherte Wasser sind die Flüsse an North Carolinas Küste im Sommer,
Folge der Überdüngung mit Algennährstoffen

Die staatlichen Behörden hatten viele Gründe, ihre Augen vor einer potentiellen Gefahr durch Pfiesteria zu verschließen, denn der Einsatz ist hoch. In den letzten Jahren war es North Carolina gelungen, Millionen von Dollar durch Touristen, Rentner aus dem Norden, die ihren Ruhestand in wärmerem Klima verbringen wollen, und einem intensiven Ausbau von Landwirtschaft und Hochtechnologie-Industrie anzuziehen. Grundstückspreise entlang der Flüsse und Ästuare (trichterförmige Flußmündungen mit Salzwassereinfluß; Anm. d. Red.) stiegen ins Unermeßliche. Ein lauter Aufschrei, „Killeralgen“ hätten die Gewässer des Staates erobert, wäre eine Bedrohung für den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes. Die Devise schien zu lauten: „Wenn wir nicht darüber reden, existiert auch kein Problem.“ 

Doch was die Offiziellen am meisten verschreckte, war JoAnns Erkenntnis, daß Pfiesteria vor allem durch erhöhte Konzentrationen von Nitrat und Phosphat gefördert wird. „Pfiesteria lebt wahrscheinlich schon seit Tausenden von Jahren in unseren Gewässern, doch anthropogene Wasserverschmutzung hat die Umwelt-
bedingungen derart verändert, daß sie nunmehr optimale Wachstumsbedingungen findet.“ 

 
Die Gülle von zehn Millionen Schweinen ernährt Pfiesteria

Die kommunalen Klärwerke North Carolinas sind dem ständigen Zuwachs der Städte seit langem nicht mehr gewachsen. Zahlreiche neue Siedlungen entlang der Flüsse sind überhaupt nicht an eine Kanalisation angeschlossen, entwässern direkt in die Flüsse. Und während der letzen Dekade stieg North Carolina von Rang 17 auf Rang zwei in der amerikanischen Schweineproduktion. Die Gülle von zehn Millionen Schweinen - etwa 9,5 Millionen Tonnen jährlich - wird in offenen Lehmgruben, sogenannten Lagunen, vom Ausmaß dreier Fußballfelder dekompostiert, bis sie als Dünger auf die Äcker ausgebracht wird. Die Lagunen sind in keiner Weise gegen das nur in zwei Meter Tiefe liegende Grundwasser isoliert, und bereits sind 30 Prozent der Trinkwasserbrunnen des Staates so mit Nitrat verseucht, daß sie in Deutschland nicht mehr zugelassen wären. Bei jedem großen Regen laufen die Lagunen über, und die Gülle ergießt sich in Bäche und Flüsse. Ehemals fischreich mit hoher Freizeitattraktivität sind der Neuse River und seine Nebenflüsse heute im Sommer nur noch grüne, schleimige Gewässer. 

 
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